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Warum ISO/IEC 40500 nicht nur Barrierefreiheit, sondern auch Ressourceneffizienz bedeutet

  • Autorenbild: Fabian Grosche
    Fabian Grosche
  • 20. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. Sept.


Accessibilty illustration

Die ISO/IEC 40500 Norm, besser bekannt als Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), wird oft primär mit digitaler Barrierefreiheit in Verbindung gebracht. Tatsächlich bietet diese Norm jedoch auch signifikante Synergien mit Nachhaltigkeitszielen – eine Verbindung, die für E-Commerce-Anbieter zunehmend relevant wird. Eine barrierefreie Website nach ISO/IEC 40500 Standards trägt nicht nur zur digitalen Inklusion bei, sondern fördert gleichzeitig auch umweltfreundlichere digitale Strukturen. In der heutigen Geschäftswelt, in der sowohl soziale Verantwortung als auch ökologische Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung sind, bietet die Implementierung dieser Standards E-Commerce-Unternehmen die Möglichkeit, beide Aspekte simultan zu adressieren und dadurch Wettbewerbsvorteile zu erlangen.


Die Grundlagen der ISO/IEC 40500 Norm

Die ISO/IEC 40500:2012 entspricht den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0 und umfasst umfangreiche Empfehlungen, um Webinhalte zugänglicher zu gestalten. Der Fokus liegt darauf, digitale Inhalte für Menschen mit verschiedenen Behinderungen – von Sehbeeinträchtigungen über Hörprobleme bis hin zu kognitiven Einschränkungen – nutzbar zu machen[1]. Ein wichtiger Aspekt: Diese Richtlinien verbessern nicht nur die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen, sondern erhöhen die Benutzerfreundlichkeit für alle Nutzer.


Die WCAG basieren auf vier Grundprinzipien, die auch in der deutschen Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) verankert sind[2]:


  1. Wahrnehmbarkeit: Informationen müssen für alle Nutzer wahrnehmbar sein

  2. Bedienbarkeit: Eine intuitive und flexible Bedienung muss gewährleistet sein

  3. Verständlichkeit: Inhalte und Bedienung müssen verständlich sein

  4. Robustheit: Inhalte müssen mit verschiedenen Technologien und Geräten kompatibel sein


Diese vier Prinzipien bilden nicht nur das Fundament für barrierefreie Webinhalte, sondern überschneiden sich signifikant mit Zielen effizienter Webentwicklung.


Die Synergie zwischen Barrierefreiheit und Ressourceneffizienz

Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit in der Webentwicklung teilen überraschend viele gemeinsame Ziele und Methoden. Beide Konzepte:


  • Verbessern die Nutzererfahrung (Usability)

  • Führen zu wirtschaftlichen Verbesserungen

  • Werden von Suchmaschinen-Algorithmen positiv bewertet[3]


Gemeinsame technische Grundlagen


Das Prinzip der Robustheit, eines der Grundprinzipien der WCAG, findet sich auch in den Web Sustainability Guidelines wieder. Eine robuste Website funktioniert zuverlässig auf unterschiedlichen Geräten und Technologien, was sowohl der Barrierefreiheit als auch der Ressourceneffizienz zugutekommt[3].

Die Web Sustainability Guidelines fordern Websites, die sauber, effizient, offen, ehrlich, regenerativ und resilient sind – Eigenschaften, die sich stark mit den Anforderungen der WCAG überschneiden[3]. Eine effiziente Website verbraucht weniger Ressourcen und ist gleichzeitig besser zugänglich für Menschen mit eingeschränkter Internetbandbreite oder älteren Geräten.


Digitaler CO₂-Fußabdruck und Barrierefreiheit


Eine durchschnittliche Online-Bestellung verursachte im Jahr 2021 etwa 1.421 g CO₂-Äquivalente, wobei die digitale Infrastruktur zwischen 5,5 und 25 Prozent der Gesamtemissionen ausmacht[4]. Barrierefreie Websites sind oft schlanker programmiert, laden schneller und benötigen weniger Serverressourcen – was direkt zu einem geringeren CO₂-Fußabdruck führt.


Praktische Umsetzung für E-Commerce-Anbieter


Ressourceneffiziente und barrierefreie Website-Optimierung


Für E-Commerce-Anbieter ergeben sich konkrete Handlungsfelder, in denen Barrierefreiheit und Ressourceneffizienz zusammenwirken:


  • Effiziente Codestruktur: Sauberer, schlanker Code verbessert nicht nur die Ladezeiten, sondern reduziert auch den Energieverbrauch. Gleichzeitig ist er besser für Screenreader zugänglich, die von sehbehinderten Menschen genutzt werden.

  • Optimierte Medieninhalte: Komprimierte, aber qualitativ hochwertige Bilder mit aussagekräftigen Alt-Texten sind sowohl für die Barrierefreiheit als auch für den reduzierten Datenverbrauch wichtig.

  • Reduzierte Animationen: Sparsamer Einsatz von Animationen und bewegten Bildern verbessert die Nutzbarkeit für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und senkt gleichzeitig den Energieverbrauch[3].


Effizienter E-Commerce-Tech-Stack


Ein effizienter Tech-Stack unterstützt sowohl Ressourceneffizienzziele als auch die Barrierefreiheit:


  • Cloud-Anbieter nutzen: Cloud-basierte IT-Infrastrukturen ermöglichen eine effiziente Ressourcennutzung, da Hardware gemeinsam genutzt und Überkapazitäten vermieden werden[5].

  • Energieeffiziente Server wählen: Die Zusammenarbeit mit Hosting-Anbietern, die auf energieeffiziente Server und erneuerbare Energien setzen, reduziert den ökologischen Fußabdruck[5].

  • Mobile-First-Ansatz: Eine für mobile Geräte optimierte Website ist oft schlanker und energieeffizienter und kommt gleichzeitig Menschen mit unterschiedlichen Zugangsgeräten entgegen.


Ressourceneffiziente E-Commerce-Strategien


Neben der technischen Implementation können E-Commerce-Anbieter weitere ressourcenfreundliche Praktiken einführen:


  • Umweltfreundliche & gut gekennzeichnete Verpackungen: Die Verwendung biologisch abbaubarer Verpackungsmaterialien reduziert den ökologischen Fußabdruck. Werden diese zugleich leicht zu öffnen, taktil gekennzeichnet oder visuell kontrastreich gestaltet, unterstützen sie zusätzlich Menschen mit motorischen oder visuellen Einschränkungen – und fördern damit Barrierefreiheit im Versandprozess.[6].

  • Barrierefreie Zustelloptionen: Zugängliche Abholstationen oder individuell wählbare Übergabeorte – eine inklusivere Logistik, die auch den Anforderungen mobilitätseingeschränkter Personen gerecht wird.

  • Transparente Kommunikation: Barrierefreie und klare Kommunikation über Bemühungen zur Ressourcenersparnis stärkt das Verbrauchervertrauen[6].


Rechtliche Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven


Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)


Ab dem 28. Juni 2025 trat das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das E-Commerce-Anbieter verpflichtet, ihre Websites so zu gestalten, dass sie von Menschen mit Beeinträchtigungen ohne Erschwernis genutzt werden können[7]. Kleinstunternehmen sind von dieser Verpflichtung allerdings ausgenommen.

Diese gesetzliche Vorgabe bietet E-Commerce-Anbietern die Gelegenheit, nicht nur die Barrierefreiheit zu verbessern, sondern gleichzeitig auch ressourcensparendere digitale Strukturen zu schaffen.


Zukunftsperspektiven


Die ISO/IEC 40500 wird derzeit überarbeitet (ISO/IEC DIS 40500)[1], was darauf hindeutet, dass die Anforderungen an barrierefreie Webinhalte weiterentwickelt werden. E-Commerce-Anbieter, die frühzeitig auf barrierefreie und ressourcensparende Webentwicklung setzen, positionieren sich zukunftssicher.


Fazit: Doppelter Nutzen für verantwortungsbewusste E-Commerce-Anbieter


Die Implementierung der ISO/IEC 40500 Standards bietet E-Commerce-Anbietern die Möglichkeit, gleichzeitig zwei wichtige Ziele zu verfolgen: digitale Inklusion und ökologische Ressourceneffizienz. Die technischen Maßnahmen, die für die Barrierefreiheit erforderlich sind, unterstützen häufig auch ökologische Ziele durch effizientere Ressourcennutzung und geringeren Energieverbrauch.

In einer Zeit, in der Verbraucher zunehmend Wert auf soziale Verantwortung und Umweltschutz legen, können E-Commerce-Anbieter durch die Beachtung dieser Synergie nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllen, sondern auch Wettbewerbsvorteile erlangen und ihr Markenimage stärken.

Die Investition in barrierefreie und effiziente Webentwicklung ist somit keine bloße Compliance-Maßnahme, sondern eine strategische Entscheidung, die langfristige wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile bietet.


Quellen:


 
 
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